Koffer auspacken – ein Artikel von W. Höpp

Premiere am 27.10.2016

Ein Aha-Erlebnis der besonderen Art wurde den Zuschauern zuteil, die das originelle  Theaterstück „Koffer auspacken“ nach der gleichnamigen Glosse von Kurt Tucholskys aus dem Jahre 1927 bei der Aufführung des Aha!!!-Theaters im Alten E-Werk in Nierstein miterlebt haben.

Das „Aha!!! Theater“  wurde im Februar 2015 von der Seniorenbeauftragten der Stadt Nierstein, Kirsten Blüm  aus der Taufe gehoben, unterstützt durch die Dr. Wegener-Stiftung . Das jung gebliebene Ensemble – das erste Seniorentheater der Stadt Nierstein – besteht aus  zehn Frauen und zwei Männern, die begeisterungsfähig von der renommierten Theaterpädagogin Heike Mayer-Netscher zu schauspielerischen Höchstleistungen motiviert wurden. Das Spiel „Koffer auspacken“ kann nun beginnen:

Dabei holt jeder  Schauspieler reihum jeweils ein Utensil aus dem Koffer hervor, das versehen mit einem Zitat aus Tucholskys Glosse  auf einem Tisch abgelegt wird. Der Koffer, wo immer er auch bewusst abgestellt, lieblos entsorgt oder auch gedankenlos einfach nur vergessen wurde, ob auf dem Flughafen von Mallorca, als ausgemusterter Diplomatenkoffer oder allein auf dem Bahnhof gelassen, stets gibt das Transportbehältnis Anlass zu launigen Szenen, und ganz persönlichen nachdenklichen, heiteren, mitunter auch etwas melancholischen Erinnerungen.

So hat Klaus Tönnies immer noch einen Koffer in Berlin, dem er wehmütig singend nachtrauert. Ein VW-Käfer und ein Trabi – genannt „Fritzchen“ – aus dem Koffer hervorgezaubert, wecken bei Gabriele Silber und Renate Müller Heimaterinnerungen, die sie autobiografisch mit Bildern in einer Multimedia-Show den  Zuschauern präsentieren.

12 Koffer auf einer Safari durch die Savanne Afrikas, 12 Laienschauspieler, die sich nun so richtig austoben können und  alles zeigen,  was sie in der vorangegangen neunmonatigen Probenzeit gelernt haben.

Zum Schluss der ausverkauften Veranstaltung empfiehlt das Aha!!!-Theater dem Publikum nur noch leichtes Gepäck, was die Besucher dankend mit lang anhaltendem Beifall quittieren.

Heike Mayer-Netscher jubiliert: „Ich bin sehr zufrieden mit der Premiere und auch ein wenig stolz. Die Schauspieler sind ruhig geblieben und haben den immer selbst erarbeiteten Text bestens  vorgetragen.“ Auch der Berliner im Ensemble Klaus Tönnies schwärmt: „Ich fand unseren Auftritt wunderbar. Ich bin jetzt erleichtert und die Spannung fällt jetzt langsam ab. Mit meinen 75 Jahren habe ich das erste Mal auf der Bühne gestanden und freue mich schon auf unseren  Auftritt am 25.November in der Alten Festhalle in Flonheim“.

Für Aline Eppert war der Weg von Duisburg nach Nierstein nicht zu weit: „Heute Abend habe ich verschiedene Leben und Schicksale erlebt, bei denen ich mitgenommen worden bin. Jeder  Schauspieler hat mit viel Engagement am großen Erfolg des Abends seinen  Anteil. Ich habe biografisches Theater vom Feinsten erfahren“.

           Wolfgang Höpp –  Journalist